Nicht für die Firma, fürs Arbeitsleben lernen wir

von | Jul 2, 2023 | Wortschöpfung

Wir alle waren mal in der Schule. Wir alle haben mehr oder weniger gute Erfahrungen mit den Schulsystemen und Unterrichtsmethoden gemacht, richtig? Da gab es konservative Lehrer und Lehrmeinungen, aber auch innovative Versuche und Experimente.

Besucht man ein Schulmuseum, glaubt man fast, die materialisierte Angst noch riechen zu können, die als Schweiß vom Holz absorbiert wurde. Prügelstrafe war vor 100 Jahren noch eine legitime Methode der Wissensvermittlung. Lange war auch der Frontalunterricht gesetzt. Der Lehrer monologisiert vorn – die Schüler hören im Hintergrund zu, bis sie vorgeführt und abgefragt werden. Sender – Empfänger. Mächtig – ohnmächtig.

Lernen führt zu Veränderung – Veränderung macht Schule

In den 70er kamen Dynamik und Gruppenarbeit auf. Schülergruppen organisierten sich plötzlich selbst, agil könnte man fast sagen, rund um Themen und erarbeiteten Lösungen, nun trat der Lehrer in den Hintergrund. Hatte man viele Jahre Jungen und Mädchen gezielt getrennt unterrichtet (man erinnere sich nur an die berühmte „Feuerzangenbowle“), fanden sich selbst in den 80ern noch getrennte Informatik-Kurse für Mädchen und Jungen. All das war „normal“. So, wie es heute normal ist, dass Schülerinnen und Schüler natürlich gemeinsam lernen, Inklusionsschüler inklusive. Im Zeitalter von digitalisierten Klassen dann auch gern noch mit Tablets und Whiteboards. Früher gab es Bücher, heute Lern-Apps. Früher Spickzettel, heute Smartphones und ChatGPT…

Nun, was hat das alles mit der Arbeitswelt zu tun? Ganz einfach. Die Art, wie wir lernen, verändert sich kontinuierlich. Genau wie die Art, wie wir uns Wissen aneignen, um beim dauerhaften Change in der Arbeitswelt mitzukommen. Auch der Umgang mit Kunden will immer wieder neu gelernt werden. Heute möchten Kunden „part of the process“ sein. Teil der Entwicklung. Sie möchten nicht nur ein fertiges Ergebnis haben, nicht nur auf dem Laufenden gehalten werden, sie möchten involviert sein. „Dabeisein ist alles“, aber nicht für Ruhm und Ehre, sondern für den Erfolg des eigenen Unternehmens.

Von der Präsenzveranstaltung zum „How-to“-Video

Doch nicht nur die Ansprüche der Kunden haben sich verändert. Globalisierung und Digitalisierung haben deutliche Spuren hinterlassen. Die Tool-Box der Personalentwickler hat sich digital verlängert. Weg von der „Schulung vor Ort“, hin zu „digitalen Lernformaten“. Plattformen, Lern-Apps und E-Learning sollen es möglich machen: Weg von der Bringschuld der Unternehmen – hin zur Holschuld der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die virtuellen Bibliotheken der „How to“-Videos und -Datenbanken wachsen, „Learning on Demand“ ist schwer im Kommen.

Es geht nicht mehr mit der Gießkanne über alle, sondern um bedarfsgerechtes, zielgruppenspezifisches Lernen in Eigenverantwortung. Die Möglichkeiten sind größer denn je – der Haken nur: die Motivation zum Lernen – zusätzlich zum Workload – ist nicht eben gewachsen. Wohl die Wenigsten haben Lust, überall und jederzeit zu lernen. Genau deshalb ist es wichtiger denn je, die Motivation zu befeuern und Lernmüdigkeit zu vertreiben. Es geht darum, die Relevanz des Lernens klar zu machen. Warum sollte ich mich weiterbilden, warum mich immer wieder anpassen und neu lernen?

Und da sind wir wieder in der Schule und der griechischen Philosophie und drehen Senecas berühmtes Zitat herum: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Oder um es mal „unternehmerisch“ zu sagen: Nicht für die Firma, sondern fürs Arbeitsleben lernen wir. Das neue Lernen sollte Spaß und Schule machen. Gute Kommunikation zu Notwendigkeit, Nutzen und Vorteilen motiviert. Das zahlt sich aus: für die Mitarbeitenden ganz persönlich und das Unternehmen.