Denn der erste Eindruck hat keine zweite Chance

von | Jul 2, 2023 | Wortschöpfung

  • In Zeiten des Fachkräftemangels kämpfen viele Unternehmen um die besten Kräfte – sorgen dabei aber mitunter wortwörtlich selbst dafür, dass sie sich nicht bekommen
  • Bewerbermanagement ist Erwartungsmanagement

Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal einen neuen Job gesucht? Also im Sinne von „suchen müssen“, können, wollen? Können Sie sich noch erinnern, wie sich das anfühlte? Ja, genau. Kann ganz schön an die Substanz gehen. Wer einen neuen Arbeitsplatz sucht (siehe auch: neue Herausforderung, Betätigungsfeld, Karrieresprung oder Horizont-Erweiterung …) – der kann ernüchternde Erfahrungen machen.

Die Welt der Jobsuche ist eine binäre

Gut und schlecht. Ja und nein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Passt oder nicht. Als Steven Hankin von McKinsey vor mehr als 25 Jahren den „War for talents“ ausrief, da lagen viele Arbeitgeber noch im Dornröschenschlaf. Bewerber bewarben sich – und das Unternehmen hatte die Wahl. Auf dem Weg ins dritte Jahrtausend hat sich das geändert. Heute bewerben sich nicht mehr nur Arbeitnehmer, heute bewerben sich auch Arbeitgeber. Es geht um die gegenseitige Vorstellung – auch dessen, was werden könnte. Also, wie der alte Chinese sagt: Win-win.

Die Stellenausschreibung der Vergangenheit glich oft einem kühlen Anforderungsprofil – die der Gegenwart zunehmend dem herzerwärmenden Versuch des Eigenmarketings. Marketingabteilungen jonglieren mit den Begriffen Employer Branding und Employer Value Proposition – stattliche HR-Teams füllen stundenlang Konferenzräume, um herauszufinden, welche Benefits ihr Unternehmen eigentlich haben könnte – nicht selten gibt’s dabei Kopfschmerzen und innere Lachanfälle. Im Ernst: Was also macht ein Unternehmen besonders für Bewerber? Wie macht man sich zum wertvollen und wertebasierten Arbeitgeber und damit anziehend?

Nicht auf einer Glatze Locken drehen

Wer – wie Karl Kraus mal sagte – versucht, auf einer Glatze Locken zu drehen, wer also nichts in Händen hat, der hat mindestens schon mal eine „kollegiale Arbeitsatmosphäre“, „flache Hierarchien“ und/oder einen „zukunftssicheren Job“ mit „angemessener Vergütung“. Wer es etwas hipper mag, der hat vielleicht sogar eine Chillout-Lounge (früher: Küche), einen Kicker- oder Billard-Tisch (früher Raucher-Ecke). Und was ist mit Gesundheit? Sehr gut! Gerade nach harten Corona-Zeiten:
Also, bitte: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) muss her, vielleicht sogar ein Fitnessstudio, ein Zuschuss zum E-Bike und neben einer Kaffee-Flat auch noch Fruchtsäfte und Obstkörbe (aber, bitte mit bio!). Alles schön, vieles gut, wenn es denn nicht nur bei Worten bleibt. Apropos Worte. Bevor neue Arbeitnehmer beherzt in die Bio-Banane beißen können, ist der Drops oft schon gelutscht. Beispielsweise dann, wenn Interessenten der Bewerbungsprozess eher wie ein Strafverfahren vorkommt. Wer sich bewirbt, ist leicht dünnhäutig, öffnet sich. Kein Wunder: Wer sich bewirbt, versucht, die Weichen für sein Leben neu zu stellen. Da nimmt man das Herz in die Hand, wägt und wagt, geht das Risiko ein, die Komfortzone zu verlassen und Neuland zu betreten. Nicht ohne Grund spricht man davon, sich eine neue „Existenz“ aufzubauen. Merke: die Begriffe „Leben“ und „Arbeit“ sind in unserer leistungsorientierten Welt synonym. Kurzum, da ist es kein Wunder, dass die Suche nach Arbeit auch mal emotional werden kann. Und wie immer bei Gefühlen – sollte man möglichst nicht mit ihnen spielen…

Ob bewusst oder nicht: genau das tun nicht wenige Unternehmen, Behörden und Personalabteilungen mit Banalitäten, kleinen Unachtsamkeiten und fehlender Wertschätzung.
Der Teufel steckt im Detail. Etwa, wenn in den Stellenausschreibungen kein Ende der Bewerbungsfrist steht – und sich der Interessent täglich fragen mag, wann wohl (oder, ob jemals) mit einer Antwort zu rechnen sei. Etwa, wenn das Ende der Bewerbungsfrist benannt ist, aber niemand mitteilt, wann man sich wohl auf die Bewerbung melden wird. Da ist es fast schon ein Fortschritt, aber auch nur fast, wenn der Bewerber eine automatisierte Antwort-Mail bekommt (gern mit einem fast persönlichen „Sehr geehrter Bewerber/sehr geehrte Bewerberin“), die mit kurzem Dank auf längeres Warten vorbereitet und gleichzeitig unterschwellig darauf hinweist, sich möglichst nicht (im Sinne von: bloß nicht!) persönlich zu melden.

Erwartungen sind keine Einbahnstraße

Geradezu großartig in Zeiten der Digitalisierung sind Bewerbungen, die auch 2023 noch ausschließlich auf Papier und per Post erwünscht sind, nicht minder unangenehm sind Bewerbungsportale, als kleiner Wink an die Öffentliche Hand, in denen man seitenweise bürokratische Hürden und Formulare in Kauf nehmen muss.

Früher hat man seine Papiere beim Pförtner geholt und Bewerbungsunterlagen kamen „zu unserer Entlastung“ per Post zurück. Heute bekommt man mitunter noch eine mehr oder weniger beflügelnde Mail mit Absage oder Einladung zum Gespräch. Nicht selten aber lauscht man über schier endlose Wochen und Monate einer unverständlichen Funkstille.

Bewerbungsmanagement ist Erwartungsmanagement

Liebe Arbeitgeber, wenn Sie wirklich auf der Suche nach Talenten sind und das Finden Ihnen so schwer fällt, dann sollten Sie eines nicht vergessen. Was für Bewerber gilt, sollte nicht minder für Arbeitgeber gelten – Bewerbungsmanagement ist Erwartungsmanagement, wechselseitig. Bewerbung ist Kommunikation – keine Einbahnstraße. Denn der erste Eindruck hat keine zweite Chance.

Tipps für erfolgreiche Arbeitgeber

  • Teilen Sie schon in der Stellenausschreibung mit, bis wann Bewerbungen angenommen werden – und spätestens bei der Eingangsbestätigung, wie das Verfahren aussieht.
  • Nennen Sie konkrete Ansprechpartner für Nachfragen
  • Nehmen Sie sich die Zeit, jeden Interessenten persönlich (mindestens per Mail) zu kontaktieren – es ist schon Wertschätzung, einfach den Namen in der Anrede zu verwenden.
  • Teilen Sie Interessenten so früh wie möglich mit, wenn sie nicht in Frage kommen.
  • Bei einer Absage sollte man feinfühlig vorgehen (selbst die manchmal nur fehlenden „Details“ oder „Nuancen“ sind schon ein Anfang. Der Hinweis auf das hauseigene Bewerberportal (so vorhanden) und künftige freie Stellen zeigt zumindest, dass man die Bewerbung grundsätzlich zu schätzen weiß.
  • Teilen Sie Interessenten noch früher mit, wenn genau sie ein „Best fit“ sein könnten – sonst sind die Wunschkandidaten vorm ersten Gespräch vielleicht schon ein Häuschen weiter gezogen.
  • Der gute Ruf hat viele Facetten. Arbeitgeber-Bewertungsportale erfreuen sich großer Beliebtheit. Zunehmend auch bei (un-)zufriedenen Bewerber:innen.