Wie Firmen-„Geschichten“ wirkliche Werte schaffen

von | Jun 27, 2023 | Wortschöpfung

Dichterin Muriel Rukeyser hat es mal so gesagt:
„Das Universum besteht aus Geschichten, nicht aus Atomen.“

Um diesen Gedanken in Worte zu fassen, ein paar Gedanken: Wir denken unsere Wirklichkeit. Tag für Tag. Das gilt für jeden einzelnen, für jede Familie wie für jedes Familienunternehmen. Da gibt es ein privates und ein unternehmerisches „Wir-Gefühl“, ein „Lebensgefühl“ sind beide. Eine Identität im täglichen Tun und eine Identifikation mit den Werten und Zielen des gemeinsamen Unternehmens, ja, der Unternehmenskultur.

Eine Unternehmen ist die Summe seiner Geschichten

Denn die ist nichts Anderes als die Summe der Geschichten, die man sich in einem Unternehmen über das Unternehmen erzählt. Da geht es um die Werte, Überzeugungen, Normen, Praktiken und Verhaltensweisen, die in einem Unternehmen existieren und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geteilt und gelebt werden. Es geht um die Art und Weise, wie ein Unternehmen arbeitet, wie es mit seinen Kunden umgeht, und welche Antworten es auf gesellschaftliche Fragen gibt.

Stellen wir uns unseren Lebens- und Unternehmensweg mal ganz vereinfacht als eine Strecke vor. Mit einem Startpunkt „A“ und einem Endpunkt „Z“. Das Wesen einer Strecke ist es, einen klaren Anfangspunkt und einen ebensolchen Endpunkt zu haben – der Weg dazwischen aber besteht aus unendlich vielen Punkten, die sich aneinanderfügen.

Nennen wir es „Identität“, nennen wir es „Selbst“ oder „Wir-“ oder „Ich-Gefühl“ – all das ist die Summe der Geschichten, die wir uns streckenweise und zu einem beliebigen Zeit-Punkt unseres Lebens erzählen. Geschichten, entstanden durch die Interpretation von Rückkopplungen mit unserer Arbeits- und Umwelt, den Geschichten unserer (Unternehmens-)Kultur, den Geschichten der Menschheit und ganz realer Menschen und Kolleginnen und Kollegen, die uns täglich umgeben.

Identität ist immer im Wandel

Manche Geschichten existieren am Anfang gar nicht. Sind in Gedanken noch nicht geschrieben. Oder hat jemand schon mal von Kindern gehört, die sich bereits Geschichten über Tariferhöhungen und die Rente erzählen? Es kommen also ständig neue Geschichten über unsere Identität hinzu, unser Fundus wächst. Andere Geschichten sind Geschichte und verlassen uns wieder. Ihr Fortbestand ist geschichtlich irrelevant. Gleichwohl tragen wir auch diese Geschichten, Rollen und Muster weiter in unserem Erfahrungsschatz.

Frei nach Jack Kornfield: Wenn wir uns kurzfristig mit ganz bestimmten Teilen unserer Erfahrung, als Geschichten, identifizieren – halten wir etwas fest, was flüssig ist. Wie aus Wasser Eis wird, wird aus Geschichten Identität.

Als Kind kann ich mir alles vorstellen. Wie ich Feuerwehrmann werde, Astronaut, Abenteurer oder Superheld. Als Schüler erzähle ich mir vielleicht, wie ich mich gerade als Schüler und schon bald als Student sehe, als Auszubildender denke ich möglichweise erstmals an Geschichten des beruflichen Erfolgs, ans Geldverdienen. Als Mutter oder Vater erzähle ich mir Geschichten darüber, wie schön oder ganz schön anstrengend es ist, Mutter oder Vater zu sein.

Wir alle spielen viele Rollen. Wir sind Eheleute. Partner. Liebhaber:innen. Wir sind Eltern, Großeltern. Wir sind Arbeitnehmer:innen, Geschäftsführer:innen, „Macher“ oder „Ohnmächtige“. Aber als „Ich“ sind wir nie allein. Wir befinden uns ständig in Interaktion mit anderen – dem „Sie und Du“. Zusammen bilden wir, wenn’s gut läuft, ein „Wir“. Aber was heißt denn schon: „ein Wir“? Es sind viele. In der Familie, in der Partnerschaft, in der Abteilung, beim Jour Fixe und Team-Meeting. Und schließlich, „wir, in unserer Firma“.

Während wir uns „einreden“, dass unsere Identität über all die Jahre stabil sei, ist sie doch fragil dem Wandel unterworfen, beeinflussbar durch schlechte oder gute Kommunikation, durch Flurfunk oder Transparenz. Durch die Gesellschaft und ihre Herausforderungen, durch den Alterungsprozess und die klassischen Lebensphasen, durch die Veränderungen der Um- und Arbeitswelt und ihrer sich immer wieder wandelnden Ansprüche.

Wem das einmal klar wird, dem bieten sich aber neue Möglichkeiten, neue Spielräume. Ich bin nicht ein für alle Mal so, und mein Unternehmen für immer so. Sondern, jeden Tag anders. Ich kann mich stündlich neu erfinden, reframen, im Umgang mit anderen, in der Rückkopplung, Selbstbeschreibung und Selbstwahrnehmung. Jeder Tag birgt neue Chancen für eine neue Identität. Neues Sein und Tun.

„Survival of the fittest“ – oder warum Anpassung ewig aktuell bleibt

Selbst das berühmte „das haben wir schon immer so gemacht“ stimmt ja nur bedingt. Schaut man mal genauer hin, hat sich selbst das „immer so“ schon immer verändert – „man kann nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen“, sagt Philosoph Heraklit. Kein Arbeitstag ist wie der andere.

Alles fließt, alles ändert sich. Wir akzeptieren das und passen uns an. Das ist die Stärke des Menschen. „Survival of the fittest“ – das Überleben der Anpassungsfähigsten. Und Anpassung ist nichts anderes, als sich neue Geschichten zu erzählen, die den veränderten Rahmenbedingungen entsprechen und das Arbeitsleben erleichtern.

Unternehmenskultur – das sind auch: Führungsstruktur, Unternehmenswerte, Arbeitsbedingungen,  Arbeitsplatzkultur und viele Arbeits-Beziehungen zwischen Kolleginnen und Kollegen, die sich gegenseitige Geschichten über ihre Arbeit erzählen.

Eine positive Unternehmenskultur, unterstützt durch eine positive Kommunikation, kann dazu beitragen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker mit dem Unternehmen identifizieren, motivierter sind, zufriedener sind und sich Geschichten erzählen, von denen alle, sie selbst und ihr Unternehmen profitieren.